Kuba

14.12.2016 

Die letzten fünf Wochen sind wir durch Fidels Inselreich geradelt. Wobei Fidel nun bekanntlich nicht mehr ist – genau während unseres Aufenthalts hat der „Comandante en Jefe“ – der Chefkommandant wie er hier genannt wird- 90-jährig das Zeitliche gesegnet.

Fidel ist omnipräsent
Fidel ist omnipräsent

Genau einen Tag vor seinem Tod hatten wir uns gerade noch darüber unterhalten, was wohl passieren würde, wenn Fidel stirbt.  An einem Samstagmorgen kurz vor Santiago de Kuba wurden wir von einer Gruppe von jungen Kubanern informiert, die für ein kleines Hotel arbeiten. Während einer neuntägigen Staatstrauer sei jegliche Musik und Konsum von Alkohol untersagt. „Dabei würde ich am liebsten auch feiern, genau so wie die Exilkubaner in Miami und wie viele weiteren Kubaner hier“ – fügt der junge Mann, der uns über Fidels Tod informiert hatte, mit gesenkter Stimme dazu. Alle Fahnen im Land wurden auf Halbmast gesetzt und im Staatsfernsehen wurden von da an ausschliesslich Sondersendungen und Huldigungen von Fidel gesendet. Ansonsten ging das Leben normal weiter und es gab keine Einschränkungen, ausser eben der für uns bedauerlichen Abwesenheit jeglicher Musik.

Wie lässt sich unsere Zeit in Kuba zusammenfassen? Kuba ist definitiv anders. Für uns war es in erster Linie wahnsinnig spannend, mit verschiedensten Kubanern zu sprechen und damit zu versuchen, diese oft gegensätzliche Kultur und dieses kommunistisch und totalitär geprägte Land zu verstehen. Auch wenn uns dies ganz sicher nicht umfassend gelungen ist, konnten wir auf jeden Fall einen Einblick gewinnen und ich möchte versuchen, euch unsere Eindrücke hier weiterzugeben.

Unterwegs in Kuba
Unterwegs in Kuba
Kubanerin mit Zigarre
Kubanerin im traditionellen Kleid und Zigarre in Havanna

Es lässt sich auch nicht ganz verhehlen, dass uns die fünf Wochen zeitweise lange vorgekommen sind und wir erstmals auf der Reise richtig Reisekoller und Heimweh verspürt haben. An was das liegt, können wir nicht so richtig fassen. Einerseits vielleicht an den wenn auch sehr schönen, sich immer  wieder etwas wiederholenden Landschaften. Andererseits und vielleicht noch wichtiger, fanden wir uns immer wieder in etwas beklemmenden Situationen wieder; nicht immer haben wir so viel von der Lebensfreude mitgekriegt, für die Kubaner bekannt sind. Im Vergleich zu den unglaublich gastfreundlichen, immer zu Spässen aufgelegten und unkomplizierten Mexikanern, wo wir vorher waren, waren die meisten Kubaner uns gegenüber zurückhaltender, wenn wir auch hier natürlich wunderbare Personen getroffen haben. Einerseits ist da sicherlich die Ausprägung des totalitären Regimes zu spüren und andererseits die schwierige Lebenssituation vieler Kubaner.

Strassenszene
Strassenszene

Viele Leute leben hier Existenzlimit und die Beschaffung von Geld zum Überleben ist ein täglicher Kampf. Der monatliche Durchschnittslohn beträgt 20-30 CUC (=20-30 Franken), viele Personen verdienen aber auch nur gerade 15 CUC pro Monat. Ein Arzt verdient nur gerade 50-60 CUC pro Monat. Die Grundlebensmittel wie Reis, Bohnen, Kochbananen, Zucker werden sind mit Lebensmittelmarken zwar fast gratis erhältlich, die Mengen pro Person reichen meist jedoch nicht und zusätzliche Mengen müssen teurer erworben werden. Insbesondere Gemüse und Früchte sind teilweise teuer oder in kleineren Dörfern teilweise gar nicht erhältlich und die Ernährung vieler Kubaner deshalb oft mangelhaft und wenig ausgeglichen. Importierten Güter sind spärlich zu erhalten und haben fast so hohe Preise wie bei uns.

Einfacher Lebensmittelladen am Strassenrand
Einfacher Lebensmittelladen am Strassenrand

So betreiben viele Kubaner nebst ihrer „normalen“ Arbeit meist alle möglichen, mehr oder wenigen legalen Geschäfte und Handel, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Am einträglichsten ist ein Job im Tourismus – sei es ein Casa Particular zu haben oder als Kellner in einem touristischen Restaurant zu arbeiten. Dort ist in einem Abend an Trinkgeld teilweise so viel zu holen, wie ein Arzt in einem ganzen Monat verdient. Dies führt mitunter zu absurden Ungleichheiten und dies ist doch ein Gegensatz zu den kommunistischen Prinzipien des Regimes, die auf unzähligen Plakaten im ganzen Land die Gleichheit aller Bürger predigen. Wer entweder ein Casa Particular hat oder Gelder von Verwandten im Ausland zählen kann, hat sein Leben jedoch grösstenteils gesichert. Wobei beim Ausgeben des Geldes gemäss verschiedenen Kommentaren Vorsicht angesagt ist, niemand möchte allzu wohlhabend wirken, denn dies ist nicht gut angesehen vom Regime und die Augen der kommunistischen Partei sind überall… Zwar dürfen Kubaner z.B. nun in ein Hotel gehen, was bis vor 2-3 Jahren verboten war. Wer jedoch mehr als einmal pro Jahr in ein Hotel geht, läuft jedoch in eine gewisse Gefahr, in eine Untersuchung zu geraten über dessen Einkommensquellen und könnte mit irgendwelchen dubiosen Sanktionen rechnen. Oder wer grössere Mengen Fleisch einkaufen möchte, verteilt die Einkäufe besser auf verschiedene Läden, um nicht die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

In Havanna
In Havanna
Malecon von Havanna
Malecon von Havanna

Hier in Kuba fühlt man sich einerseits ungefähr 50 Jahre zurückgeworfen in der Zeit. Die heruntergekommenen Fassaden von Havanna, die alten Autos, überall Pferdekutschen, das spärliche Lebensmittelangebot und der doch eher gemächliche Lebensstil vieler Kubaner prägen dieses Bild. Jedoch hat auch die Moderne schrittweise Einzug erhalten. Mobiltelefone sind zwar ungemein teuer für die Kubaner aber schon relativ weit verbreitet. Drahtlose Internetverbindungen gibt es in allen Städten und grösseren Dörfern, wenn auch langsam und mit 2 CUC (= 2 Franken) pro Stunde teuer relativ zum mittleren Monatsgehalt von um die 20 CUC pro Monat. Das Internet scheint im Gegensatz zu China nicht gross zensiert zu sein – wir konnten sogar ein regierungskritisches Dokument in Spanisch herunterladen. Insbesondere die jüngere Generation scheint wild zu sein auf Technologien wie Handy, Laptop und Internet sowie auf schöne Kleider, die für sie jedoch nicht selbstverständlich sind und teilweise sogar teurer als bei uns. Nicht selten hatte wir das Gefühl, Neid uns gegenüber in den Augen von jungen Kubanern zu lesen.

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Transport per Pferd und Wagen

Eines dieser alten russischen Velos
Eines dieser alten, aber neu gestrichenen, russischen Velos

Die meiste Zeit in Kuba haben wir in sogenannten Casa Particulares übernachtet, eine Art Bed and  Breakfast bei Privatpersonen, die über das ganze Land verstreut sind. Allermeistens waren wir sehr zufrieden. DIe Casas sind viel persönlicher und deutlich günstiger als die Hotels und ermöglichen auch einen direkten Kontakt mit den zuvorkommenden und freundlichen Gastgebern. Das Zelt hatten wir zwar mit dabei, aber nur gerade drei Mal aufgestellt schlussendlich. Einerseits sind wir vielleicht schon fast etwas bequem geworden und haben den Luxus eines Bettes und eines Morgenessens geschätzt. Andererseits ist es aber auch gar nicht einfach, geeignete Zeltplätze zu finden, denn Kuba ist sehr dicht besiedelt und irgendwie waren überall immer wieder Leute anzutreffen. Häufig haben wir auch direkt bei den Casas gegessen und da wohl am besten gespeist.

In einem Casa mit den Gastgebern
In einem Casa mit den Gastgebern

Restaurants gibt es nämlich nicht viele und das Angebot wiederholt sich oft. Wenn auch die sogenannten „Peso-Restaurants“, die Restaurants bei denen man mit der nationalen Währung bezahlt teilweise deutlich billiger sind. Sofern man die kubanische Karte kriegt- denn viele führen für die Touristen eine eigene Karte mit doppelten oder dreifachen Preisen. Wobei wir sogar von einem Restaurant in Santiago  de Cuba gehört haben, das ganze drei verschiedene Karten führt mit abnehmenden Preisen: eine für die Touristen, eine für die Kubaner und eine für die Inspektoren.

Nach zwei Tagen anklimatisieren in La Havanna fuhren wir Richtung Westen los. Rund um La Havanna ist der Verkehr noch relativ stark und nimmt dann ab. Die meisten der Autos scheinen keine Katalysatoren zu haben und hüllen uns teilweise in schwarze, unangenehme Abgaswolken ein beim Vorbeifahren. Auf dem Land sind kaum mehr Autos zu sehen und die beliebstesten Fortbewegungsmittel sind Pferdewagen und Fahrrad sowie kollektive Busse. Der wenige Verkehr sowie fast durchgehend geteerte Strassen machen Kuba zu einem sehr angenehmen Fahrradland. Im Regenwald von Soroa verbringen wir die erste Nacht nach einer anstrengenden ersten Etappe von fast 100 km. Im nächsten Casa Particular in La Mulata lernen wir Daile und Fernando kennen. Fernando ist Direktor des privaten Tanzensembles Malpaso, in dem auch Daile als Profitänzerin engagiert ist. Sie verbringen das Wochenende dort, da Fernando ein Fischerboot besitzt an diesem Ort. Während er die Nacht auf dem Meer verbringt, unterhalten wir uns ausgezeichnet mit Daile und lernen dabei viel über ihr Leben und Kuba kennen. Sie lobt und erklärt uns die kubanischen Errungenschaften der Revolution wie das Gesundheitssystem, das für alle offen und gratis ist, oder das ausgezeichnete Bildungssystem.  Sie äussert aber auch leise Kritik an der mangelnden Produktivität in Wirtschaft und Landwirtschaft. Ihr Vater war vor seiner Pensionierung ein ranghoher Militär im Regime und die beiden gehören klar zur privilegierten „reichen“ Oberschicht (auch wenn man dies in Kuba bestimmt nicht so nennen würde – schliesslich sind hier alle Leute „gleich“ nach der kommunistischen Überzeugung der Partei). Beide sind schon mehrmals ins Ausland gereist – was nur wenigen Kubanern möglich ist. Am nächsten Morgen begutachten wir den beträchtlichen Fang von Fernando und seiner Fischertruppe und sie laden uns spontan zum Mittagessen ein. Wir sahen die beiden auch ein Monat später in Havanna wieder zum Abendessen und durften auch einem Tanzspektakel beiwohnen. Davon waren wir echt beeindruckt – die ca. 15-köpfige Truppe sind echt Profis und tanzen extrem ausdrucksstark.

Daile während des Tanzspektakels
Die Tänzerin Daile während des Auftritts

Die Fahrt Richtung Westen führt uns weiter durch das bergige und hügelige Gebiet rund um die Touristenhochburg Vinales- wohl eine der schönsten Regionen Kubas.

Landschaft um Finales
Landschaft um Vinales

Durch Vinales fahren wir durch bis Pinar del Rio und bis an die schöne Bucht von Maria La Gorda. Am menschenleeren Strand mit weissem Sand schlagen wir für zwei Nächte unser Zelt auf und unternehmen auch zwei Tauchgänge. Zurück in Pinar del Rio fahren wir per Nachtbus in den Osten, nach Holguin. Wir lernen im Bus Jörg kennen, ein Deutscher der schon unzählige Male in Kuba war und die nächsten drei Woche als Reiseleiter eine Gruppe von 16 Fahrradfahrern begleitet. Wir kommen ins Gespräch und er nimmt uns mit zum Zmorgenessen bei Freunden von ihm. Rafael und seine Familie heissen uns herzlich willkommen und beginnt sofort ein Essen für uns zuzubereiten. Dazu wird lauter „Son“ aufgelegt, die bekannte kubanische Musik und dem Pendant zum Salsa. Der um die 70 Jährige Rafael ist überzeugter Sozialist und wohnt auf engstem Raum mit seiner Frau und seiner Tochter mit deren Mann und drei Töchter.

Gleichzeitig gibt es im Haus zwei Coiffeursalons- einer von seiner Tochter und einer vom Partner von seinem Grosssohn, der im Obergeschoss zusammen mit seinem Sohn lebt. Dass die Kinder und deren Familien noch auf engstem Raum und bei einfachen Verhältnissen noch bei den Eltern wohnen ist wegen dem rarem und teuren Wohnraum die Realität von sehr vielen kubanischen Familien. Spontan entscheiden wir uns, eine Nacht dort zu bleiben, im Obergeschoss bei Rafael Junior, der ein Casa particular hat. Im Gegensatz zu seinem Vater kritisiert sein Sohn uns gegenüber das kommunistische System und schreibt die desolate Wirtschaftslage auch auf interne Versäumnisse zu und nicht ausschliesslich auf den amerikanischen „Bloqueo”, der Wirtschaftsblockade für Kuba durch die Amerikaner.

Die nächsten drei Wochen unternahmen wir eine Rundtour im Osten der Insel. An der rauen und bergigen Südküste führte die Strasse direkt dem Meer entlang über lange Strecken, was sehr schön war. Teile der Strasse wurde vor ca. 5 Jahren von einem Hurrican zerstört und noch nicht geflickt.

Schöne Landschaft
Schöne Landschaft
Strasse fast vom Meer weggespült
Strasse fast vom Meer weggespült

Für unsere Drahtesel war das Durchkommen jedoch kein Problem und dafür gab es kaum motorisierten Verkehr. Santiago de Cuba gefiel uns deutlich besser als Havanna, auch wenn wir wegen der Staatsrauer leider nicht in den Genuss von Live-Musik kamen.

Santiago de Cuba - Die Leute stehen Schlange um sich im Kondolenzbesuch für Fidel einzuschreiben
Santiago de Cuba – Die Leute stehen Schlange um sich im Kondolenzbesuch für Fidel einzuschreiben

Nach Santiago führte die Reise weiter über Gantanamo, wo wir von weit weg auch einen Blick auf das US Gefängnis werfen konnten, nach Baracoa ganz im Osten der Insel. Vor Baracoa galt es mit der berühmten „La Farola“ noch den höchsten Pass der Insel zu überqueren. Wegen Nebel und Regen sahen wir wenig von der Aussicht, aber wenigstens schwitzten wir nicht allzu sehr. Schockierender war der Zustand nach dem Hurrican, der etwa ein Monat zuvor in der Region Baracoa regelrecht gewütet hat und für viele Bewohner fatale Auswirkungen hatte. So hat es bei einer grossen Anzahl von Häusern die Wellblech-Dächer vollständig weg gewindet und einige billigen Holzhäuser sogar ganz zerstört. Die Ernte an Kakao, Bananen, Kaffee, Kokos etc. ist fast vollständig zerstört und in der Region somit aktuell kaum oder gar keine Früchte zu finden. Kokospalmen und weitere grosse Bäume sind reihenweise umgefallen, die Zerstörungskraft dieses Sturms ist fast unvorstellbar. Jedoch ist eine grosse Solidarität spürbar und die meisten Dächer sind bereits wieder geflickt. Zumindest bis zum nächsten Sturm…

Zerstörter Wald in Baracoa
Zerstörter Wald in Baracoa

In Mayari finden wir ein sehr sympathisches Casa mit super gutem Essen und bleiben gleich zwei Tage. Die Zeit nutzen wir, um Cayo Saetia zu besuchen. Auf der Insel haben Fidel und das Regime alle möglichen afrikanischen Tiere ausgesetzt und wichtigen internationalen Gäste wurde dort früher jeweils das Abschiessen von einem Tier gewährt. So kann man dort heute Mitten auf Kuba eine Safari machen! Wir führten die Safari gleich selber durch mit unseren Drahteseln- auch wenn wir von der “Gefährlichkeit” von Kühen und Büffeln gewarnt wurden… So sahen wir haufenweise Antilopen, einen Strauss und Wildschweine. Die Giraffe und die Zebras sahen wir leider nicht. Es war eine sehr bizarre Erfahrung, die wir sehr genossen!

Antilopen
Antilopen
Auf Safari
Auf Safari – Strauss

In Guardalavaca finden wir ein Casa Particular direkt am Strand und entspannen einige Tage dort, bevor wir uns zurück nach Holguin aufmachen, von wo wir den Nachtbus zurück nach Havanna nehmen wollten. Zuvor jedoch hat sich Josep bei Rafaels Grosstochter in ihrem Coiffeursalon im Hinterhof des Hauses noch seinen Bart abrasieren lassen. Sein Bart war schon ziemlich üppig gewachsen und hat schon in Mexico immer wieder die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. So wurde ihm auf der Strasse unter anderem „Jesus Christo!“, „Terrorista!“ und „Guapissimo!“ zugerufen. In Kuba reihten sich dann insbesondere „Revolucionario!“,,„Guerillero“, „Che Guevara“!, „Camilo Cienfuego!“ (auch ein bekannter Revolutionsführer) dazu, bis Josep dann doch die politische Assoziation etwas zu viel wurde und er sich zum Rasieren entschied…

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Vorher
Nachher
Nachher

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zurück in Havanna dauerte es noch einmal einige Tage bis zum Weiterflug nach Chile, die wir mit Lesen und etwas Spazieren verbrachten und liessen dabei die fünf Wochen etwas Revue passieren als Grundlage für diesen Blogbeitrag. Die Velos werden wieder in Kisten verpackt und aufs Dach eines Taxis gebunden, das uns zum Flughafen bringt.

Taxi mit unseren Velokisten
Taxi mit unseren Velokisten

Per Flugzeug geht es nun an den fast südlichsten Zipfel von Südamerika – nach Punta Arenas in Chile. Wir freuen uns sehr auf die neuen Abenteuer, die uns dort erwarten werden!

 

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