Mexico – Baja California I

14.10.2016 

 

Mit einem doch etwas mulmigen Gefühl im Magen nähern wir uns von San Diego der mexikanischen Grenze. Tijuana liegt nur gerade 30 Kilometer südlich von San Diego. Der Empfang durch die mexikanischen Zollbeamten war sehr herzlich; was für ein Unterschied zu ihren mürrischen und ernsten amerikanischen Kollegen! Der erste Eindruck war somit gut und schon stehen wir Mitten in Tijuana. In mehreren Blogs haben wir gelesen, dass es auf der Autobahn mit Gebühren viel weniger Verkehr und einen breiten Seitenstreifen gibt. Leider werden wir jedoch von der Security aufgehalten als wir auf die Autobahn fahren wollten, Fahrräder sind definitiv nicht zugelassen. Somit mussten wir umkehren und über einen nun etwas längeren Weg kommen wir unbeschadet in Rosalia an, wo wir in einem Hotel unterkommen. Alles war halb so schlimm: Tijuana scheint ziemlich ruhig zu sein und auch durch den doch starken Verkehr sind wir dank breiten Seitenstreifen gut durchgekommen.

Albert Einstein, Antonio Banderas, Frida Kahlo etc. in einer Wandmalerei
Albert Einstein, Antonio Banderas, Frida Kahlo etc. in einer Wandmalerei

Der Unterschied von Mexiko zu den USA ist schon markant in Kultur, Landschaft, Personen, Essen etc. Während das Velofahren an der Westküste extrem einfach war, braucht es hier etwas mehr Planung und gleichzeitig Flexibilität und Improvisation. So erleben wir jeden Tag etwas Neues, Unvorhersehbares, Spannendes und manchmal auch Ärgerliches. Wo soll ich starten?

In Ensenada, der nächsten Stadt nach Tijuana, beherbergen uns Warmshower-Hosts Antonio und Mara und ihre drei Söhne. Der Empfang ist sehr herzlich, wir werden fein bekocht und lernen viel über Baja California und Mexico. Die Söhne sind alles erfolgreiche Radrennfahrer, einer von ihnen war sogar Juniorenmeister von Mexico.

Mit Antonio und Mara sowie Peter (ein australischer Velofahrer)
Mit Antonio und Mara sowie Peter (ein australischer Velofahren) und den nun etwa zehn Fahrrädern in ihrem Wohnzimmer

Es gefällt uns so gut, dass wir gleich zwei Nächte bleiben. Sie nehmen sich viel Zeit, uns Ensenada zu zeigen und wir kaufen auf dem Fisch- und Gemüsemarkt die Zutaten für eine Paella ein. Am Abend kocht Josep für alle. Das Foto von uns mit der fertigen Paella stellt Antonio auf Facebook und schon lädt uns Tuly aus La Paz im Süden der Halbinsel ein, bei ihr zu übernachten bei unserer Ankunft dort.  Ein Angebot, das wir natürlich gerne annehmen werden! Mit vielen schönen Erinnerungen und nützlichen Tipps im Gepäck verabschieden wir uns schon fast etwas schweren Herzens von dieser wunderbaren Familie und nehmen den Aufstieg Richtung San Felipe in Angriff. Über 1000 Höhenmeter waren zu bewältigen.

Erste Kakteen
Erste Kakteen

Bei einem Militärstützpunkt wurden wir auf die Seite genommen und Josep musste mehrere seiner Taschen öffnen. Nachdem sie gesehen haben, dass nur Veloreparaturzeugs und stinkende Socken zum Vorschein kommen und somit wohl ausgeschlossen ist, dass wir als Drogenkuriere fungieren, wurden wir durchgelassen. Wir zelten wild, versteckt durch Gebüsch etwas abseits der Strasse. Bei jedem Auto, das durchfährt schalten wir sicherheitshalber die Lampe aus und hoffen, nicht entdeckt zu werden. Der nächste Tag war lang: 135 km fuhren wir durch sehr abwechslungsreiche Landschaft. Alle paar Kilometer ändert die Vegetation und es gibt wieder eine neue Kaktusart zu entdecken. Je näher wir Richtung Meer kommen, desto trockener wird es. In El Chinero schliesslich wächst gar nichts mehr. Dieser kleine Ort mit lediglich einem Militärstützpunkt und einem Restaurant trägt seinen Namen dank einigen Chinesen, die dort einmal auf dem Weg von San Felipe Richtung Norden verdurstet sein sollen. Beim Restaurant fragen wir, ob wir auf ihrem Grundstück das Zelt aufstellen können. Dies wird uns vom Besitzer bewilligt, doch wie sich herausstellt ist der Hinterhof sehr schmutzig und unzählige Hunde und Hühner laufen wild herum. Da es jedoch schon kurz vor der Dämmerung ist und die Wüste sonst keinen geeigneten Unterschlupf bietet, bleibt uns nichts anderes übrig als zu bleiben. Einige Lastwagenfahrer aus anderen Regionen von Mexiko trinken gerade ihr Feierabendbier vor der Bar und schnell plaudern wir mit ihnen und verbringen einen sehr lustigen Abend. Der Jüngste, Rogelio, ist erst gerade 19 Jahre alt und schon Vater von einer kleinen Tochter. Adolfo war nach seinen Angaben früher während über dreissig Jahren Sanitäter bei der Armee, hat dann einige Zeit illegal in den USA gearbeitet und fährt nun mit Begeisterung Lastwagen für eine Goldmine in der Nähe.

Mit den Lastwagenfahrern Rogelio und
Mit den Lastwagenfahrern Rogelio und Adolfo

Nach eher langweilgen 50 Kilometer auf einer schnurgeraden Strasse durch die Einöde erreichen wir am nächsten Morgen San Felipe, eine Stadt am Meer von Cortez und essen dort feines Ceviche mit frischem Fisch und Crevetten. Auf der Suche nach einem schönen Zeltplatz direkt am Meer biegen wir gegen fünf Uhr Abend in eine sandige Strasse ein. Als wir jedoch nach ca. 1.5 Kilometer fast im Sand versinken und als dann plötzlich noch laut grölende Amerikaner in ihren lauten Offroadfahrzeugen auftauchten, entschlossen wir uns, schleunigst umzudrehen. Gerade noch vor Einbruch der Dunkelheit gelangen wir an einen anderen Strand, der gesäumt ist von Häusern von Amerikanern, die jedoch fast alle unbewohnt schienen. Auf einer Terrasse eines dieser Häuser direkt am Strand schlagen wir unser Zelt auf, geniessen ein erfrischendes Bad im Meer und geniessen einen romantischen Sonnenuntergang. Auch die nächsten beiden Nächte verbringen wir am Strand.

Sonnenaufgang am Strand
Sonnenaufgang am Strand
Am Meer
Am Meer

In La Costilla lernen wir in kurzer Zeit alle aktuellen Bewohner dort kennen. Das spanisch-italienische Hippiepaar Teresa und Giorgio mit ihren beiden kleinen Kindern verbringt deshalb aktuell ein Monat in Baja California, um dann hoffentlich wieder zurück in die USA einreisen zu können. Ein Amerikaner, der ein Haus nebenan besitzt, hilft Josep mit Hingabe seine Angelrute zu flicken, die etwas früher gebrochen war, weil sich ein Fisch in ein Loch geflüchtet hatte samt Haken. Eine weitere Amerkanerin, dort in den Ferien mit ihren Eltern, bezahlt unseren Campingplatz ohne dass wir es mitkriegen. Teresa und Giorgio laden uns zum Essen ein und so stellen wir unser Zelt müde aber überwältigt und zufrieden erst so gegen ein Uhr in der Nacht im Dunkeln auf. Schon am morgen früh ist es zu heiss um im Zelt zu sein und wir stehen schon früh auf und erfrischen uns im Meer. Glücklicherweise weht stets eine Brise, die uns auf den Velos erfrischt trotz nun teilweise über 40 Grad Celsius. Da nehmen wir sogar einen konstanten Gegenwind gerne in Kauf! Bald kommen wir zum Valle de los Gigantes: Hier gibt es einige der grössten Kakteen der Welt. Diese sind wirklich beeindruckend und lassen uns nebenan sehr klein erscheinen.

Riesiger Kaktus
Riesiger Kaktus

Die nächste Nacht übernachten wir auf einem weiteren wunderschönen Strand, dieses Mal ziemlich einsam.

Und nochmals Camping am Strand
Und nochmals Camping am Strand

Die Ruhe wurde jedoch gestört, als Mitten in der Nacht stürmische Winde aufzogen und das Zelt völlig durchschüttelten. Wir hatten fast Angst, dass unser Zelt nicht hält und es peitschte den Sand rund herum. Glücklicherweise war der Sand eher grobkörnig und konnte deshalb nicht durch das Moskitonetz des Zelts dringen. Mit Müh und Not können wir am Morgen die Sachen zusammenpacken und suchen einen windgeschützten Ort. Zwar gab es da keinen Wind, dafür aber gefühlte tausende Fliegen. Zudem entdecken wir, dass die Tortillas, die wir zum Morgenessen  verspeisen wollten, verschimmelt waren. Unsere Launen waren nicht gerade auf dem Höhepunkt… Von dort entfernten wir uns vom Meer wieder Richtung Landesinnern. Der erfrischende Wind nahm immer mehr ab und das Thermometer kletterte immer höher auf bis zu 45 Grad!  Zudem endete nach einer Weile der Teer und auf Naturstrasse mit einer kompletten Steigung ging es mühsam immer weiter. Nach 40 Kilometer erreichen wir müde ein grosses Schild voller Blechbüchsen, das den “Cocos Corner” ankündigt. Cocos ist 80 Jährig, ist am beiden Beinen amputiert aufgrund einer Krankheit und hat nach eigenen Angaben bereits elf Herzinfarkte überlebt. “Hier übernachtet ihr!” sagt er als wir eintreten und zeigt auf einen alten Wohnwagen auf seinem Gelände. “Und morgen früh geht ihr weiter. Alle Velofahrer machen das so. Hier habt ihr einen Kübel Wasser, damit duscht ihr euch dahinten! Und dann schreibt euch ins Gästebuch ein!” Aha! Zudem drückt er uns ein Bier im die Hand. “Was ist, bleibt ihr jetzt?” Wie könnten wir da nein sagen… Zudem waren wir froh, in dieser Hitze nicht weiterfahren zu müssen. In Coco’s Reich ist alles ziemlich exzentrisch: zum Beispiel hängen da überall Unterwäsche von Frauen zusammen mit verschiedensten Photos, Kleber und weiteren Erinnerungen von Reisenden, die irgendwann mal hier durchgereist sind. Im Garten gibt es verschiedene ausgediente Toiletten in einem Kreis angeordnet und einen alten Fernseher, dessen Bildschirm mit Palmen bemalt ist und der in der Nacht leuchtet.

Mit Coco in seinem Reich
Mit Coco in seinem Reich
"Kunst" à la Coco
“Kunst” à la Coco

Während wir dort sind kommen immer wieder Personen rein auf dem Weg und grüssen Coco. Den meisten schenkt er ein Bier, einige lassen dafür etwas Essen da und sie dürfen sich alle in sein Gästebuch eintragen. Coco ist sehr lustig und extrem grosszügig mit uns und bietet uns Essen und Wasser an. Dafür muss in seinem Reich alles nach seiner Nase laufen, sonst wird er wütend. Schon früh gehen wir ins Bett. Um Punkt fünf Uhr am Morgen geht plötzlich das Licht an per Generator und wir hören es laut schreien: “Joseeeeep! Christiiiiiiina!”. Cocos gibt keine Ruhe bis wir aufgestanden sind. So sind wir nach Morgenessen und etwas plaudern mit Cocos schon früh auf den Velos bevor die Hitze kommt.

Auf Naturstrasse durch die Wüste
Auf Naturstrasse durch die Wüste

Noch 20 Kilometer Naturstrasse und dann war der Asphalt erreicht! Viel schneller nun erreichen wir das spektakuläre “Valle de los cirios”, ein Tal voller riesigen Kakteen.

Kakteen soweit das Auge reicht
Kakteen soweit das Auge reicht

Nachher galt es eine totale Wüste zu durchqueren auf einer völlig geraden Strasse während 50 Kilometer- eher langweilig. In Guerrero Negro empfängt uns Sara, auch ein Watmshower Host und zeigt uns mit ihrem klapprigen Auto Teile der Salzsalinen und des Dorfes. Hier befindet sich die zweitgrösste Salzproduktion der Welt. Aktuell befinden wir uns in San Ignacio, einer richtigen Oase in der Wüste. Hier gibt es viel Wasser und viele Palmen- was für ein Kontrast!

Eine richtige Oase in der Wüste! San Ignacio
Eine richtige Oase in der Wüste! San Ignacio

2 Comments on “Mexico – Baja California I

  1. Hello Josep / Kristina, This is Dan from La Costilla. It was great to meet you both and hear of your travels. How is the fishing rod holding up? Maybe it’s time for a stronger one!

  2. oh, das tönt spektakulär. Ich habe eure spannenden Berichte gerne gelesen, ab und zu hat mich die Angst etwas gepackt und ich bin froh, dass bis jetzt alles gut gegangen ist….
    Ganz viu liebi Grüessl u Müntschisi us Loupe
    Mueti

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