Tierra del Fuego – Bis ans Ende der Welt

4.1.2016 

In Punta Arena am Flughafen angekommen setzen wir unsere Räder zusammen und radeln zum Hostal, wo wir gegen Mitternacht eintreffen. Dort waren schon gegen zehn andere Fahrräder abgestellt von Reisenden, mit denen wir uns in den nächsten Tagen austauschen konnten. Hier scheint ein richtiges Fahrradmekka zu sein. Entgegen den ursprünglichen Plänen, von Punta Arenas direkt nach Norden zu fahren, entschieden wir uns, doch noch durch Feuerland bis Ushuaia zu fahren, bis zum “Ende der Welt”. Feuerland versprach nämlich Abenteuer mit seinen harschen Wetterbedingungen und seiner Einsamkeit.

Per Fähre schifften wir uns nach ein paar Tagen in Punta Arenas über die Magellanstrasse nach Porvenir, von wo wir angenehm vom Wind getragen und mit warmer Sonne am ersten Tag gleich über 100 Kilometer auf Schotterpiste zurücklegten. Wir juchzen vor Freude, endlich wieder auf dem Velo zu sitzen und geniessen ein wunderbares Gefühl von Freiheit entlang der einsamen und rauhen Küste.

In Porvenir auf Feuerland angekommen
In Porvenir auf Feuerland angekommen
Endlose Weite und Pampa
Der Küste entlang
Einer der zahlreichen Fischerhütten entlang des Meeres
Eine der zahlreichen Fischerhütten entlang des Meeres

In einer leerstehenden Hütte auf einer Strassenkreuzung fanden wir Unterkunft. Wir waren gerade am Essen als gegen 10 Uhr plötzlich ein Gesicht am Fenster auftauchte. Das Gesicht gehörte zu einem Radtourero aus Brasilien, der mit kleinstem Budget ein Jahr durch Südamerika reist. In seinem Hinterrad fehlen fünf Speichen und trotzdem ist er an diesem Tag 130 km auf Schotterpiste und gegen den Wind gefahren! Am nächsten Morgen wurden wir von einem lauten Chor an blöckenden Schafen geweckt. Eine riesige Schafherde inklusive Hirten auf dem Pferd und mehreren Hunden umgab unsere Hütte fast rundum.

Schafherde mit Hirt und Hund
Schafherde mit Hirte, Pferd und Hund

Am nächsten Tag besuchten wir eine Kolonie von Königspinguinen. Eine sympathische Familie aus Neuenburg lud uns zu einem Kaffee in ihrem Camper ein um die Wartezeit bis zur Öffnung des Parks an der Wärme zu überbrücken.  Die Bretterwände und Stacheldraht trübte zwar das Naturerlebnis etwas, aber die grosse Gruppe an majestätischen Pinguinen zu beobachten war doch sehr eindrücklich. Vom netten Parkwächter wurden wir zum Abschied sogar noch mit verschiedenen Früchten beschenkt und je einem Pinguinkleber fürs Velo.

Kolonie an Königspinguinen
Kolonie an Königspinguinen

In den folgenden 50 Kilometern machten wir erstmals Bekannschaft mit den berüchtigten patagonischen Winden und dies erst noch direkt von vorne. So kämpften wir gegen den Wind an und rollten doch teilweise nicht schneller als 5 km/h und dies auf geraden Abschnitten! Dazu änderte das Wetter ständig: von strahlendem Sonnenschein über Regen bis zu Hagelschauer. Entschädigt wurden wir immer wieder mit herrlichen Aussichten auf die Bahía Inutil, die “unnötige Bucht”, wie diese genannt wird. Zum Glück drehte der Weg nach 50 km und folgend stiess uns der Wind nun von hinten den Berg hoch Richtung Landesinnern. Auf der Schotterpiste quer durch Feuerland trafen wir auf jede Menge Guanacos, einsame Estancias (Bauernhöfe), riesige Schafherden, jede Menge Vögel (u.a. Ibis, Flamingos und wilde Gänse), in einer hügeligen, steppenartigen Landschaft. Unser Zelt schlagen wir am Abend bei möglichst windgeschützten Plätzen in der Wildnis auf und sind froh um unseren warmen Schlafsack.

Kampf gegen den Wind
Kampf gegen den Wind
Diese Guanacos versetzten wir immer wieder in Angst und Schrecken
Diese Guanacos versetzten wir immer wieder in Angst und Schrecken
Ganz so stark hat uns der Wind dann doch nicht zugesetzt...
Ganz so stark hat uns der Wind dann glücklicherweise nicht zugesetzt…
Estancia (Farm) in der Pampa
Estancia (Farm) in der Pampa

Die Temperaturen bewegen sich in den kalten Nächten nämlich um die Null Grad. Beim Grenzübergang von Chile nach Argentinien mussten wir sowohl bei der Chilenischen wie auch bei der Argentinischen Behörde zuerst an die Türe klopfen, bis schliesslich ein Grenzbeamter in Trainingsanzug erschien, um den Ein- und Ausreisestempel zu kriegen. Nur ganz wenige Fahrzeuge überqueren hier beim Rio Bellavista die Grenze, entsprechend relaxed ging es zu und her.

In Rio Grande lernen wir am 23. Dezember im Hostel Agathe und Kervin aus Frankreich kennen und entscheiden uns spontan, mit ihnen hier Weihnachten zu feiern statt wie geplant weiterzufahren. Die beiden fahren per speziellem Liegerad durch Südamerika. Da das Hostal am 24. schloss zügelten wir zum “Casa azul de Graciela”, einem Hostal-Camping, das von einer herzlichen, geselligen und Marihuana-rauchenden Alt-Hippie Dame betrieben wurde. Graciela empfing uns herzlich mit einem Pastis, was natürlich insbesondere die Franzosen freute, und wir fühlten uns in ihrem warmen und gemütlichen Häuschen schnell wie zu Hause. Kurze Zeit nach uns trifft auch Stéphane ein, ein weiterer Radfahrer aus Genf. Er arbeitet als Velokurier in Genf und ist nun für ein Jahr in Südamerika unterwegs. Für das Festmahl an Weihnachten gesellten sich zudem noch ein deutsches Paar dazu, das per Wohnmobil reist. Wir machen einen grossen Apéro, zum Hauptessen Paella und zum Dessert feiner Flan und Schoggimousse und geniessen so ein richtig schönes Fest.

Gemütliche Gesellschaft zu Weihnachten
Gemütliche Gesellschaft zu Weihnachten: Graciela, Stéphane (aus Genf), Agathe & Kervin (F) und Franjo & Brigitte (D)
Los Parilleros
Los parrilleros

Nach Weihnachten fuhren wir zu fünft weiter Richtung Ushuaia. Südlich von Rio Grande dem Meer entlang bläst der Wind so stark wie nie, nun von der Seite. Er gibt sich alle Mühe, uns vom Velo zu fegen, was ihm tatsächlich gelingt! Trotz kräftigem Gegen-den-Wind-Stemmen liege ich plötzlich in der Böschung neben der Strasse! Etwas weiter im Landesinnern liess der Wind glücklicherweise etwas nach. In Tolhuin kommen wir in der wohl bekanntesten Bäckerei Südamerikas unter: der Inhaber Emilio beherbergt hier bereits seit einigen Jahren gratis Velofahrer. So haben sich im kleinen Zimmer im Lager bereits hunderte andere Reisende verewigt. Wir sind ganze zehn Personen und übernachten im Gymnastikraum zwischen Fitnessgeräten und einem grossen Stapel an belgischer Schokolade. Zum Znacht verköstigten wir uns in der Bäkerei mit köstlichen Empanadas und süssen Gebäcken. Und zum Dessert kochten wir uns noch eine Portion Spaghetti um den Kohlenhydratspeicher richtig aufzufüllen…

Velofahrer-Gesellschaft in der Panaderia Union in Tolhuin
Austausch unter Radfahrern in der Panaderia Union in Tolhuin

Ab Tolhuin ändert die Landschaft. Die kahle und hügelige Steppenlandschaft weicht üppigen Wäldern und Bergen mit Gletschern. Es erinnert uns fast ein Bisschen an die Schweiz. Direkt an einem See finden wir eine verlassene Hütte- ein idyllischer Ort für das Nachtlager.

In dieser Hütte übernachteten wir
In dieser Hütte übernachteten wir
Unser Nachtlager irgendwann am frühen morgen
Unser Nachtlager irgendwann am frühen Morgen

Nach einen Pass und mit viel Wind später erreichen wir am nächsten Tag Ushuaia – sie Stadt am “Ende der Welt”. Gegen Abend und mit Vorräten fahren wir gleich weiter in den Nationalpark Tierra del Fuego. Dort besteigen wir am nächsten Tag einen ca. 1000 Meter hohen Gipfel, von wo wir atemberaubende Aussichten genossen. Danach fuhren wir gleich noch ans Ende der Ruta 40 und schossen das obligatorische Foto mit dem bekannten Plakat.

Aussicht vom Cerro Guanaco
Aussicht vom Cerro Guanaco
"Am Ende der Welt" - weiter südlich geht die Strasse nicht
“Am Ende der Welt” – weiter südlich geht die Strasse nicht

Neujahr verbrachten wir zu fünft in einer gemieteten Wohnung mit viel gutem Essen und gemütlichem Beisammensein. Einigermassen ausgeruht trennen wir uns am 3. Januar: wir beide wollen unser Glück per Autostopp versuchen Richtung Norden zu kommen und die anderen drei fahren per Fahrrad wieder zurück. Schon Ausfahrt Ushuaia hält ein Lastwagen und nimmt uns mit. Dann ein weiterer Lastwagen. Bereits etwas später am Abend hält ein Wohnmobil und die Familie aus Neuenburg, die wir bereits bei den Pinguinen getroffen haben, steigt zu unserer Überraschung aus. Die Velos werden in dem Camper verfrachtet und sie nehmen uns mit bis zur Grenze und am nächsten Tag nochmals ein gutes Stück weiter nördlich.

Auch nachher ist uns das Glück gut gesinnt: zweimal warten wir nur kurz bis uns ein Pick-up mitnimmt. So trafen wir noch am gleichen Abend in Puerto Natales ein im Auto von Nicolas, ein Student. Nico lädt uns sogar zu einem Kaffee und frisch gebackenen Brötchen ein am Abend und seine Eltern bieten uns an, bei ihnen zu übernachten. Nach einigen Gläschen Wein und guter Unterhaltung sinken wir so übermüde und dankbar über soviel Gastfreundschaft in ein warmes Bett.

Mit Nicolas und seiner Familie
Mit Nicolas und seiner Familie

Wir wünschen allen von Herzen alles Gute, viel Glück und Zufriedenheit zum neuen Jahr und bedanken uns für euer Interesse an unserem Blog!

2 Comments on “Tierra del Fuego – Bis ans Ende der Welt

  1. Liebe Christina, lieber Josep
    Eure Fotos sind einfach super mega schön und eindrücklich und die Reiseberichte sehr spannend und interessant!! Ich lese immer gerne was ihr alles so erlebt. Weiterhin alles Gute und häbet Sorg 🙂
    Liebi Grüess us der schön verschneite Schwiz, Vreni & Christian und Familie 🙂

  2. Liebe Christina, lieber Josep

    Vielen Dank für Eure kurzweiligen Reiseberichten.
    Euch auch alles Gute!

    Herzliche Grüsse
    Ueli und das restliche Pack (Livio spielt gerade wieder vor dem zu Bett gehen intensiv mit Deinem Fussball, Josep…)

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