Bolivien- Ruta de las Lagunas -Salar de Uyuni- La Paz

16.05.2017

Nach dem Studieren verschiedener Blogs von anderen Radtouristen waren wir auf Folgendes vorbereitet für die Ruta de las Lagunas: kilometerlanges Stossen auf meist sandigen oder (noch im besten Fall) waschbrettförmigen Pisten, starke Gegenwinde, plötzlich auftauchende Hagel- und Sandstürme, eiskalte Nächte und all dies auf einer sauerstoffarmen Höhe zwischen 4000 und 4800 Metern. Tönt ja alles nicht gerade verlockend, wären da nicht auch die wunderschönen Bilder von farbenfrohen Lagunen und bizzaren Wüstenlandschaften.

Essen für 7-8 Tage. Auf dem Speiseplan steht Haferbrei und Kaffee zum Morgenessen, Brot oder Cracker mit Tomate, Ei und/oder Käse oder Chinasuppe zum Zmittag, Pasta mit Tomaten- oder Fertigsuppensauce oder Kartoffelstock mit Thunfisch zum Znacht, Kekse und Schoggi für Zwischendurch

Mit Essen für sieben bis acht Tagen sowie Wasser für zwei Tage im Gepäck holen wir schlussendlich den Ausreisestempel in San Pedro de Atacama und machen uns an den schweisstreibenden, steilen Anstieg zur bolivianischen Grenze 2200 Meter höher. Nach einer Übernachtung erreichen wir am nächsten Tag den bolivianischen Zoll, der gerade zur Mittagspause geschlossen war. Erst nach einiger Zeit taucht der Zöllner doch noch auf und setzt uns den Stempel in den Pass. Bienvenidos a Bolivia, Land Nummer Sieben unserer Reise! Bolivien begrüsst uns mit beissend kalten Winden und plötzlich eintretendem Schneefall. Das kann ja heiter werden!

Bienvenidos a Bolivia!
Schneefall kurz nach der Grenze

Wir quartieren uns im Refugio ein bei der Laguna Blanca einige Kilometer weiter. Hier lernen wir Romain aus Belgien kennen, mit dem wir den restlichen Teil bis Uyuni fahren werden. Bei noch eisigen Temperaturen fahren wir am morgen los zuerst zur gar nicht so grünen Laguna Verde.

Flussüberquerung vor der Laguna Verde
Laguna Verde – nicht so grün wie erwartet

Genau als wir uns für die Mittagspause in den schützenden Windschatten eines Steins setzen, kommt uns Raimon aus Barcelona entgegen und gesellt sich zu uns. Er ist bereits seit 3.5 Jahren auf Weltreise mit dem Fahrrad. Lustigerweise ist seine Freundin auch aus Bern, sie haben sich unterwegs kennengelernt uns sind sogar bis vor einer Woche zusammen gefahren. Mit spannenden Gesprächen sind im Nu zwei Stunden vergangen bevor wir weiterfahren, jeder in seine Richtung. Gegen Abend erreichten wir Polques, wo wir unsere müden Glieder in heissem Thermalwasser ausruhen konnten.

Wohlige Erholung für die müden Muskeln

Als wir nach ganzen drei Stunden aus dem Wasser stiegen und uns rasch anzogen, waren Badehose und Bikini sofort beinhart gefroren… Dies sollte für eine Woche das letzte Bad bleiben. Feuchttücher ermöglichten dafür doch noch ein Minimum an Körperhygiene. Die Wege für die nächsten Tage waren wie erwartet ziemlich schlecht – Waschbrettpisten, grosse Steine und teilweise relativ tiefer Sand waren zu überwinden. Jedoch war es immer fahrbar und demzufolge waren wir durchaus positiv überrascht! Scheinbar wurde stellenweise in die Instandhaltung der Wege investiert zugunsten der auch hier immer zahlreicher werdenden Touristenjeeps. Wir nahmen es gemütlich und waren mit Tagesetappen um die 40 km schon zufrieden. So blieb uns auch genügend Zeit, die faszinierende Natur zu bewundern.

Mal sandig…
…mal Spurensuche über holpriges Waschbrettmuster…
… aber irgendwie immer fahrbar

Nur gerade 20 km fuhren wir von den Thermen joch zu Sol de Mañana, einem auf 4800 Meter gelegenen Geysirfeld. Wir wollten dort übernachten, da die sogenannten “Fumerolas” am Morgen am eindrücklichsten sein sollen. Es ist unsere höchste und definitiv auch kälteste Zeltnacht bei Aussentemperaturen um die -15 bis -20 Grad. Auch wenn unsere Schlafsäcke durchaus auf Minustemperaturen ausgelegt sind, kam unser Material da definitiv an seine Grenzen. Am morgen ist sogar das Wasser im Zelt gefroren und Josep musste sogar seine Kontaktlinsen im Etui erst auftauen vor dem Einsetzen. Im Geysirfeld rauchte es am Morgen jedoch in der Tat aus allen möglichen Schloten und wir genossen diese Aussicht zusammen mit einem Kaffee in den ersten wärmenden Sonnenstrahlen.

Es blubbert…
… und raucht überall: Sol de Mañana

Bei der von Algen rot gefärbten Laguna Colorada handeln wir eine Übernachtung im Mehrbettzimmer inkl. Abendessen und Frühstück für gerechnet gerade mal 8 Franken aus pro Person für uns fünf Velofahrer. Nebst Romain fuhren wir seit zwei Tagen plus minus auch noch mit zwei Deutschen. Leider war die Portion Spaghetti am Abend gar klein und vermochte unsere Kalorienspeicher nicht zu füllen. Dies führte zu einigen Fantasien bei den Männern: Wie wärs mit Katze am Spiess? Oder Flamingo-Steak? Schleunigst verzehren wir noch einige trockenen Kekse um auf andere Gedanken zu kommen. Dafür fanden wir am morgen noch Brot und Pancakes, die von den beiden bereits um vier Uhr aufgestandenen Touristengruppen hinterlassen wurden und packen alles ein. Schliesslich ist unser Essen eher knapp berechnet und es waren doch noch einige Tage zu meistern. Sogar bereits angegessene Pancakes wurden nicht verschont: einfach den angebissenen Teil abschneiden- fertig!

Laguna Colorada
Die Jungs wärmen sich mit Wolldecken
Arbol de piedra
Schöner Sonnenuntergang und ein wärmendes Feuer bei Minusgraden

Nach einiger Spurensuche durch sandige Wege erreichten wir am nächsten Tag den ebenfalls berühmten Arbol de piedra (Steinbaum) und hatten ihn ganz für uns. Die nächsten Nächte fanden wir jeweils schöne Zeltplätze, wenn auch die Nächte nicht minder kalt waren. Bei der Laguna Hedionda, an der Flamingos aus nächster Nähe beobachtet werden konnten, durften wir hinter dem Hotel zelten.

Laguna Hedionda
Eine weitere schöne Laguna
..und noch eine!

Noch zwei Tagesetappen vorbei an weiteren schönen Lagunen trennten uns nun noch von der Zivilisation, dem kleinen Dorf San Juan. Beeindruckend waren auch die zahlreichen verschneiten Gipfel. Wir liessen uns sagen, dass so viel Schnee wie seit zwanzig Jahren nicht mehr liegt. Noch einige sehr holprige Pisten mehr und ehe wir uns versahen war die Lagunenroute geschafft! Es war schlussendlich bei Weitem nicht so schlimm wie befürchtet; im Gegenteil haben wir diese abenteuerliche, wunderschöne Strecke sehr genossen. Trotzdem sind wir müde von der Kälte, dem Wind und den schlechten Wegen und freuen uns insbesondere auf die Dusche, die wir bitter nötig hatten! Im einfachen Hostal kriegten wir auch ein ebenfalls einfaches, aber feines Abendessen: Quinoa mit Spiegelei. Früchte,  Gemüse und Brot waren jedoch im ganzen Dorf nicht aufzutreiben, das musste bis Uyuni warten! Von San Juan steuerten wir Richtung Salar de Uyuni. Für jeden Fahrradfahrer ist die Überquerung der grössten Salzwüste der Welt fast ein Bisschen ein Muss. Entsprechend freuten wir uns darauf.

Quinuafeld, zwischen San Juan und Salar de Uyuni
Neugierige Lamas mit buntem Kopfschmuck blockieren uns den Weg

Als wir dann schlussendlich ankommen, steuern wir mit dem Kompass ziemlich genau Richtung Nord auf die Insel Incahuasi zu. In diesem unendlichen Weiss kommen wir uns plötzlich völlig unbedeutsam vor. Irgendwie ist es uns aber auch einfach langweilig nach einer Weile… Die Insel war zwar schon von weitem zu erkennen, kam jedoch einfach nicht näher! Zudem war der Salar stellenweise ziemlich uneben und liess uns langsamer als geplant vorankommen. So legen wir nach einer Weile eine Kursänderung ein und steuern eine unbekannte und etwas näher gelegene Insel an. In deren Schutz wollten wir auf dem Salar zelten. Mitten auf dem Salar zu übernachten sei nämlich gefährlich haben wir uns sagen lassen, wegen illegalen, Drogen schmuggelnden Lastwagen, die in der Nacht mit hohen Geschwindigkeiten verkehrten. Endlich angekommen, stellen wir schnell unser Zelt auf- gerade richtig für den schönen Sonnenuntergang und einige Fotos. Hier auf dem Salar herrscht eine absolute Stille, nicht ein einziger Ton ist in der Nacht zu vernehmen.

Josep und Romain sind sich uneinig über die Routenwahl
Für dieses Vicuña ist der Salar zum Verhängnis geworden…
Gerissen des Sonnenuntergangs…
… und des klaren Sternenhimmels über dem Salar

Die Insel mit vielen Kakteen erkundigen wir am nächsten Morgen und genossen einen spektakulären Rundumblick auf dem Salar und die Berge dahinter. Wir hatten sie – im Vergleich zu den touristischen Inseln Inkahuasi und Pescado- ganz für uns alleine, kein Mensch weit und breit. Dann lagen noch genau 80 Kilometer endlos scheindende Salzwüste vor uns. Gegen die Monotonie setzen wir die Ohrstöpsel rein, hören Musik und singen laut dazu- zumindest solange der Schnauf reichte. Zudem können wir es natürlich nicht lassen, einige dieser typischen Salarfotos zu schiessen…

“Unsere” Insel Pia Pia
Zwei Zwerge auf dem Sattel…
… und ein Zwerg auf der Lenkertasche

Wir sehnten uns dermassen nach einem warmen Bett, einer Dusche und vor allem Essen, dass wir die letzten zwanzig Kilometer nach Uyuni legten wir im Dunkeln zurück, auf asphaltierter Strasse mit bis zu 30 km/h. Schnell wer ein Hotel gefunden und zum Znacht gabs “Pollo a la Broaster”, grilliertes Poulet mit Pommes Frites.

Nach einigen Tagen Auspannen, Wäsche und Velos waschen etc. fuhren wir per Bus weiter in die Stadt Potosí. Wir dürfen bei Hannah übernachten, einer Freundin von meiner Schwester, die für drei Jahre hier in einer Organisation zur Gewaltbekämpfung gegen Frauen arbeitet. Wie wir lernen, weist Bolivien die höchsten Zahlen der Gewalt gegen Frauen von ganz Südamerika auf: gemäss Statistiken ist hier jede zweite Frau Opfer von häuslicher Gewalt! Potosi ist eine besonders geschichtsträchtige Stadt. Wegen den riesigen Silbervorräten im „Cerro Rico“ gelangte die Stadt im 17. Jahrhundert zu einem ausserordentlichen Reichtum und zählte damals zu den grössten Städten der Welt. „Vale un Potosí“ wird im spanischen Sprachraum noch heute verwendet und bedeutet: „das ist ein Vermögen wert“. Besonders interessant war der geführte Besuch in der Casa de la Moneda, wo die Spanier über Jahrhunderte ihre Silbermünzen prägen liessen. Heute ist wenig mehr vom einstigen Reichtum verspürbar, wenn auch das Zentrum der Stadt ziemlich hübsch ist. Zwar wird im Cerro Rico immer noch Silber, Zink und weitere Metalle abgebaut, aber die Ausbeute wird immer kleiner und der Berg zumindest teilweise vom Einstürzen bedroht. Mit einem Besuch in der aktiven Mine können wir uns ein Bild über die äusserst harten Arbeitsbedingungen der Minenarbeiter machen. In einer kleinen Gruppe wurden wir mit Overall, Helm und Lampe ausgestattet. Zudem kaufen wir noch eine Stange Dynamit sowie eine Flasche Süssgetränk- als Geschenk für die Minenarbeiter. Dynamit kann auf dem „Mercado de los mineros“ frei erworben werden. Zwei Stunden lang kraxeln wir durch enge Gänge, steile Stufen, über senkrechte Leitern runter und sogar über zwei parallele Balken über ein mindestens dreissig Meter tiefes Loch. Zum Glück sind wir einigermassen schwindelfrei, dies ist sicher nicht für jedermann! Es ist staubig in der Mine und riecht streng nach verschiedenen Gasen. Wir werden sogar Zeugen einer Dynamitexplosion, die wir in einem versteckten Gang mitverfolgen durften. Wir sind froh, endlich wieder im Freien zu sein – unvorstellbar wie die Arbeiter Tag für Tag unter diesen Bedingungen im Berg arbeiten!

Plaza central Potosí
In Sucre
Auf der Strasse werden Gemüse…
… Käse…
… und sonst alles Mögliche feilgeboten

Spontan entscheiden wir uns, auch noch Sucre zu besuchen, auch bekannt als die weisse Stadt, bevor wir per Nachtbus nach La Paz weiterreisen. La Paz verfügt seit 2015 über verschiedene Seilbahnen, die eine wunderbare Möglichkeit bieten diese in einem riesigen Kegel gelegene Stadt von oben zu beobachten. Da uns langsam die Zeit ausgeht, nehmen wir ab hier noch einmal einen Bus nach Cusco in Peru. Gerne möchten wir in den verbleibenden Wochen noch durch die peruanische Cordillera fahren. Da rufen jede Menge hohe Pässe und vergletscherte Berge – ganz nach unserem Geschmack! Übrigens haben wir mittlerweile auch unseren Rückflug gebucht: am 11. Juli geht es ab Quito zuerst nach Barcelona und eine Woche später zurück in die Schweiz, wo wir am 19. Juli in Zürich landen werden.